Rezension: Christina Schwarz, Die Leuchtturmwärterin

Die US-amerikanische Autorin Christina Schwarz wuchs in Wisconsin auf und lebt inzwischen in Kalifornien. Ihr Debut „Novemberkind“ stand im Jahr 2000 wochenlang auf der Bestsellerliste der New York Times.

1898: Gertrude „Trudy“ Swan, Tochter einer gutbürgerlichen Familie in Wisconsin, soll sich bald mit dem Sohn einer befreundeten Familie vermählen. Sie verliebt sich jedoch in den freigeistigen Oscar. Sie heiraten kurzentschlossen und ziehen gemeinsam nach Kalifornien. Soweit eine wenig originelle Geschichte, die man so oder ähnlich schon in unzähligen Frauenromanen findet. Gut, Oscar und Trudy ziehen auf die verlassene Insel Point Lucia, wo Oscar als Leuchtturmwärter arbeitet. Eigentlich ein ungewöhnliches und interessantes Setting, aber die Geschichte kommt nicht so richtig in Gang.

Da sind zum einem die Protagonisten, die sehr flach und stereotypisch daher kommen und zu denen ich daher als Leserin keine Verbindung aufbauen konnte. Zum anderen die endlos erscheinenden Beschreibungen von Trudys Gefühlsleben und ihrem einsamen Alltag auf der Insel. Im Laufe des Romans gibt es Zeitsprünge ins Jahr 1977. Jane, die als Kind auf Point Lucia lebte, besucht diesen Ort noch einmal und erinnert sich an Trudy, ebenfalls mit sehr langatmigen Ausführungen.

Auch sonst plätschert die Geschichte bis zum Ende des Buches vor sich hin. Trudy und Oscar leben sich auseinander. Oscar interessiert sich für Elektrizität, Trudy erforscht die Flora und Fauna der Insel und unterrichtet die Kinder der Familie Crawley, mit denen beide zusammen auf der Insel leben.

Im letzten Viertel des Buches dann – endlich! – eine spannende Wendung. Trudy entdeckt, dass auf der Insel eine mysteriöse Frau in einer Höhle lebt, die letzte Überlebende eines indigenen Stammes. Es enthüllen sich Geheimnisse der anderen Bewohner von Point Lucia und Trudy gerät mit ihrem Ehemann in eine ernsthafte Auseinandersetzung, wie weit die anthropologische Erforschung der indigenen Frau gehen darf. Am Ende löst sich dieser Konflikt dann in einem, zugegeben, spannenden Showdown. Diese Spannungskurve hebt sich die Autorin leider bis zum Schluss auf.

Positiv hervorzuheben ist der Einblick in die gesellschaftlichen Konventionen, mit denen sich die Protagonistin auseinandersetzen muss, insbesondere ihrer Rolle als Ehefrau. Doch auch das kann leider nicht über die eintönige Gestaltung der restlichen Geschichte hinwegtäuschen.

Fazit: Setting und Idee des Romans sind interessant. Leider hat die Autorin keine packende Geschichte daraus entwickelt. Im letzten Viertel des Buches nimmt die Geschichte dann  noch Fahrt auf, die knapp 200 vorherigen Seiten kann man sich getrost sparen.

Christina Schwarz, Die Leuchtturmwärterin
btb Verlag, 2016
Autorin der Rezension: Franziska Schmidt

Rezension: Ronja von Rönne, Wir kommen

„Wir kommen“ ist der Debütroman der Bloggerin und Journalistin Ronja von Rönne. Seit 2012 betreibt sie ihren Blog „Sudelheft“, seit 2015 ist sie als Journalistin für „Die Welt“ tätig.

Zur Handlung
Als Noras Therapeut in den Urlaub fährt, erhält sie die Aufgabe, diese Zeit in einem Tagebuch zu dokumentieren. So will sie die Gründe für ihre nächtlichen Panikattacken ergründen. Nach der Todesnachricht ihrer Schulfreundin Maja reagiert Nora mit Verleugnung und auch ihre früher so moderne Viererbeziehung steht auf der Kippe. Um deren Ende zu verhindern, fährt Nora mit Leonie, deren schweigsamer Tochter, Karl und Jonas in ein Haus am Meer. Als sie merken, dass diese Flucht allein ihre Viererbeziehung nicht rettet, planen sie ein großes Fest, um sich ihr Glück zu verdeutlichen.

Beurteilung
Das schlichte Cover weckte meine Neugierde: Wer kommt und wohin? Noras Tagebuch beginnt spannend und vielversprechend. Doch leider gelingt es Ronja von Rönne nicht, diese Spannung zu halten. Vor allem fehlten mir unvorhersehbare Wendungen.

Sämtliche Figuren wirken deprimiert und unausstehlich, so dass ich mit niemanden mitfiebern kann. Der Umgang miteinander ist leiblos. Und da wundern sich die Figuren noch, dass ihre Viererbeziehung zum Scheitern verurteilt ist?! Probleme und andere wichtige Dinge werden totgeschwiegen. Selbst wer der Vater von Leonies Tochter ist, interessiert niemanden, denn dann hätte man ja tatsächlich etwas zu besprechen.

Der Schreibstil will hipp und modern wie ein gewaltiger Blogbeitrag herüberkommen. Sicher gibt es Leser für diesen Stil. Ich empfand es mit der Zeit als anstrengend. Von Rönne sagt viel und philosophiert herum, ohne jedoch wirklich etwas auszusagen. Dabei gäbe es Potenzial in der Handlung.

Positiv: von Rönne gelingt es, den heutigen Zeitgeist der hippen Gesellschaft einzufangen. Die Protagonisten feiern eine große Party, um daran erinnert zu werden, wie gut sie es in ihrer Viererbeziehung haben und wie glücklich sie doch sind. Außendarstellung vom Feinsten. Was wirklich wichtig ist, bleibt auf der Strecke. Egal, wie kaputt ihre Beziehung ist, der Schein wird immer gewahrt. Der Schluss ist ebenso vorhersehbar wie hoffnungslos.

Fazit
Ein Roman wie ein extrem langer, depressiver Blogbeitrag, dessen Sinn weitestgehend hinter Geplänkel verborgen bleibt.

Ronja von Rönne, Wir kommen
Aufbau Verlag, 2016
Die Autorin liest: https://www.youtube.com/watch?v=OqnOiq-HwjI
Blog der Autorin: http://sudelheft.blogspot.de/
Autorin der Rezension: Sarina Wood
www.sarina-wood.de

Reingelesen: Christian Schwetz, Am Anfang war das A

Im Sammelband „Am Anfang war das A“ erzählt der Autor Christian Schwetz Geschichten von A bis Z mit humoristischem bis skurrilem Hintergrund. Erzählerisch lässt Schwetz dabei kein Wünsche offen.

Dennoch ist das Bändchen nicht uneingeschränkt empfehlenswert. Das Format der Geschichten fordert heraus: Kurzgeschichten stehen gleichberechtigt neben balladenhaft verfassten Texten. Schwetz erzählt im breiten Wienerisch, was für den deutschen Markt nicht förderlich ist. Dass sich der Autor außerhalb der gewohnten Erzählstruktur bewegt, mit Stilmitteln spielt und diese jeweils den Textpassagen anpasst, spricht für sein handwerkliches Können. Für den Leser fehlt jedoch komplett ein roter Faden.

Über den Autor
Aktuell lebt Christian Schwetz als Steuerberater in Wien. Er hatte zwar in den 1980er Jahren literarische Ambitionen, die er neben dem BWL-Studium verwirklichte. Nachdem er seine Diplomarbeit über die wirtschaftliche Lage von Schriftstellern in Österreich beendet hatte, beschloss er, dass Schreiben nicht sein Hauptberuf werden sollte. Er gab den Plan auf, vom Schreiben leben zu wollen und betreibt die Schriftstellerei nun nebenberuflich. Christian Schwetz ist außerdem Gründungs- und Vorstandsmitglied der Initiative „Das Sprech-Initiative für Sprach, Sprech- und Hörkunst“ und arbeitet seit mehreren Jahren mit der Band „Novi Sad“ zusammen.

Das Metier von Christian Schwetz sind neben Mundart und Prosa vor allem Belletristik und Prosa. Vom erzählerischen Können ist ihm nichts abzusprechen, jedoch ist das vorliegende Buch zu unausgegoren. Der Autor vermischt hier Lyrik und Prosa, was den Leser, der das Buch am Stück lesen möchte, verwirrt. Wer hingegen nur gelegentlich zu „Am Anfang war das A“ greifen möchte, um den einen oder anderen Text zu lesen, wird mit dem Werk bestens bedient.

Mein Fazit:
„Am Anfang war das A“ ist von der anfänglichen Konzeption her nicht zuende gedacht. Die Texte sind – einzeln für sich genommen – gut. Jedoch fehlt der inhaltliche Zusammenhang.

Christian Schwetz, Am Anfang war das A
edition libica, Wien 2016
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Reingelesen: Ella TheBee, Organisella. Durchs Studium mit Zeitmanagement und Organisation

Klappentext
Im Studium gilt es, verschiedene Dinge gleichzeitig zu bewältigen. Es gibt viel zu verstehen und noch mehr zu lernen. Mitschriften müssen organisiert, Referate gehalten, Prüfungen bestanden und Hausarbeiten geschrieben werden. Und neben alldem sollen auch noch das Studentenleben genossen, Nebenjobs gemacht und Freundschaften fürs Leben geschlossen werden. Da kommt der ein oder andere schnell mal an seine Grenzen. So oft im Leben begegnet man Menschen, die einen klareren Kopf zu haben und mehr zu schaffen scheinen, als man selbst. Ihr Geheimnis ist Zeitmanagement. Organisella soll euer persönlicher Assistent im Studium sein, der euch inspiriert, anleitet, motiviert und manchmal sogar den Kopf streichelt. Es enthält alles, was ihr über die Organisation im Studium wissen müsst und bietet zusätzlich eine wertvolle Sammlung an Checklisten, Videos, Kopiervorlagen, Tipps und Tricks.

Zum Buch
In diesem Buch gibt die Germanistik-Studentin und YouTuberin Ella TheBee einige Tipps, wie man mit Zeitmanagement und Organisation leichter durch das Studium kommt.

Das Buch unterteilt sich in drei große Abschnitte. Es beginnt mit „Vorbereitung und Leben“ zu Themen wie Arbeitsplatz, das erste Semester und Kalenderführung. Der 2. Abschnitt „Das Semester richtig starten“ behandelt unter anderem Mitschriften, Literaturrecherche & -bearbeitung, Referate, Prüfungsformen, Lerntechniken und Stress. Im letzten Teil „Zukunft“ geben Absolventen und Dozenten persönliche Tipps.

Das gesamte Buch ist liebevoll mit persönlichen Notizen und Fotos der Autorin gestaltet und beinhaltet zusätzlich viele Kopiervorlagen und Materialien, die man auch auf der Homepage zum Download findet. Begleitet wird das Buch von einem kleinen Zusatzheft mit Listen und anderen Hilfsmitteln.

Der Schreibstil ist leicht und flüssig. Die Autorin schreibt, wie sie spricht und denkt. Für Belletristik ist das nicht immer ein Vorteil, für dieses Genre schon. Ich kenne Ella TheBee von ihrem YouTube-Kanal und hatte beim Lesen immer ihre Stimme präsent. Ein dicker Pluspunkt: Zu manchen Themen sind QR-Codes abgebildet, die zu den jeweiligen Videos auf YouTube führen. Wenn man also etwas nicht komplett nachvollziehen kann, hilft das Video auf die Sprünge.

Mein Fazit
Obwohl ich keine Studentin bin, finde ich dieses Buch sehr hilfreich. Ich habe viele Tipps und Anregungen für meinen Alltag umgewandelt. Das Buch ist ein absoluter Allrounder. Empfehlenswert!

Ella TheBee, Organisella. Durchs Studium mit Zeitmanagement und Organisation
nr Fachverlag, Bremen, 3. Auflage 2016
www.organisella.de
Autorin der Besprechung: Tatjana „Tatii“ Scegelskis
https://derbuecherfuchs.com/

Rezension: Shida Bazyar, Nachts ist es leise in Teheran

Vier Familienmitglieder, vier Jahrzehnte, vier unvergessliche Stimmen. Aufwühlend  und anrührend erzählt Shida Bazyar die Geschichte einer iranisch-deutschen Familie, die ihren Anfang 1979 in Teheran  nimmt und den Bogen spannt bis in die deutsche Gegenwart.

Mit diesen Worten beginnt der Klappentext dieses in vier Abschnitte gegliederten Romans. Wir lesen von Behsad, dem jungen linken Revolutionär, der in der mutigen, literaturbesessenen Nahid die Liebe seines Lebens findet. Wir lesen von der Flucht der Liebenden nach der Machtübernahme der Mullahs. Und von ihren Kindern, Laleh, Mo und Tara, die in Deutschland aufwachsen und zwischen den Welten zu Hause sind.

Im ersten Teil ergreift Behsad das Wort. Als junger Mann steht er während der Revolution in Teheran auf der Seite der Kommunisten und muss erleben, wie die Mullahs nach dem Fall des Schah-Regimes die Macht übernehmen. Mit bewegenden Worten schildert er, wie sich seine Freunde verändern und manche gar zu Feinden werden. Im nächsten Abschnitt berichtet seine Frau Nahid aus ihrer Sicht über die Flucht der Familie nach Deutschland. Zusammen mit ihren Kindern Laleh und Morad muss sie sich in einem fremden Land zurechtfinden, das für sie eigentlich nur eine Zwischenstation sein sollte. Doch die Nachrichten, welche die Familie aus dem Iran erreichen, lassen nicht auf eine baldige Besserung der Situation hoffen.

Jeweils weitere zehn Jahre später erzählen die inzwischen fast erwachsenen Kinder über ihr Leben. Noch immer lebt die Familie in Deutschland, doch immerhin ist nun ein Besuch in der alten Heimat möglich. Lalehs Bericht über diese Reise zeigt in bildhafter Sprache sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten der Kulturen. Die Freude über ein glückliches Wiedersehen, die Unsicherheit angesichts fremder Konventionen und die Angst vor dem Verlust geliebter Menschen kennt wohl jeder auf dieser Welt.

Im letzten Abschnitt kommen Mo und Tara zu Wort. Mo erzählt von seiner Studentenzeit, die sich im Grunde kaum von der seiner Kommilitonen unterscheidet. Er sieht zwar manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel, so kann er zum Beispiel den ständigen Demonstrationen  nicht viel abgewinnen. Am meisten stören ihn jedoch die Fragen nach seiner Herkunft. Künftig, so beschließt er, werde er einfach sagen, er sei Spanier oder Argentinier. Im Epilog kommt schließlich Tara, die jüngste Tochter, kurz zu Wort. Bereits in Deutschland geboren, scheint sie am ehesten  angekommen zu sein. Durch ihre Familie ist jedoch auch sie noch mit dem Iran verbunden.

Mein Fazit
Shida Bazyars Roman passt sehr gut  zur aktuellen Flüchtlingskrise. Zwar kennt man die Bilder aus den Kriegs- und Krisengebieten und versteht, was die Menschen zu ihrer verzweifelten Flucht zwingt. Was sie bewegt und worauf sie hoffen, bleibt uns jedoch meist verborgen. Die Autorin gibt einigen Verzweifelten eine Stimme und lässt sie in ergreifender und teilweise poetischer Sprache ihr Leben erzählen. Ich hoffe sehr, dass dieses Buch ein wenig zum gegenseitigen Verständnis beiträgt. Dem Klischee, dass es in einem Gottesstaat nur überzeugte Gläubige gibt, begegnet die Autorin mit  einem Satz, den sie Lalehs Onkel in den Mund legt:  „Religion ist Opium fürs Volk, aber dieses Volk braucht Opium, um vor der Religion zu flüchten.“

Shida Bazyar, Nachts ist es leise in Teheran
Kiepenheuer & Witsch, 2016
Die Autorin liest: https://www.youtube.com/watch?v=RDAmd4F2gvk
Autorin der Rezension: Petra Gugel

Rezension: Licia Troisi, Die Drachenkämpferin 4: Nihals Vermächtnis

Natürlich kann man sich streiten, ob ein weiteres Buch über Nihal wirklich notwendig war. Natürlich kann man wagemutig verlautbaren lassen, das Ganze sei nur Geldmacherei, um an den Hype vor einigen Jahren anzuknüpfen und ihn wieder aufleben zu lassen. Was auch immer stimmt: Licia Troisi hat mit dem vierten Teil ihrer Drachenkämpferin auf dem deutschen Markt noch immer etliche Fans erreicht.

Alles auf Anfang
Nachdem der Tyrann Aster besiegt worden ist, gehen Nihal und Sennar zusammen mit Oarf dem Drachen in die Unerforschten Lande, um dort ein neues, bescheidenes Leben abseits des Trubels um ihre Personen zu führen und eine Familie zu gründen. Als Sennar Opfer eines missglückten Zaubers wird, sieht Nihal sich gezwungen, Hilfe bei den verhassten Elfen zu suchen. Der Preis dafür ist ihr Leben, und sie ist gewillt, ihn auch zu zahlen. Doch mit ihrem Ableben endet ihre Geschichte noch nicht.

Nur Geldmacherei?
Natürlich freute sich mein Fanherz über einen neuen Band mit dem Titel „Die Drachenkämpferin“ und Nihal in heroischer Pose auf dem Cover.  Mit dem Abstand der Jahre zur eigenen Jugend bleibt dennoch ein kleiner Wehmutstropfen, denn Troisi ist alles andere als eine talentierte Autorin. Sie hält sich nicht lange mit Beschreibungen auf – warum auch,  wenn das halbe Buch ohnehin nur aus Dingen besteht, die man bereits aus den anderen beiden Trilogien der Aufgetauchten Welt kennt? Hier fühle ich mich als Leser an der Nase herumgeführt. Die Nacherzählung dessen, was bereits bekannt ist, wirkt gehetzt und gedrängt, so als sei der Autorin bewusst gewesen, dass ihre Fans das eigentlich nicht lesen wollten, sondern lieber neuen Stoff bekommen hätten. Also hält sie sich gar nicht erst mit ausschweifenden Sätzen oder allzu detaillierten Beschreibungen von Umgebung und Handlung auf und schreitet mit großen Schritten zur zweiten Hälfte des Buches. Als Leser war mir von vornherein klar, dass jedes „neue“ Abenteuer Nihals mit ihrem Tod enden würde. So war ihre Wiederbelebung nach über einhundert Jahren in der Tat eine überraschende Lösung. Das vorhersehbare Ende trübt leider erneut das Leseerlebnis.

Gelungen ist dagegen der Aufbau des Buches: Die Rahmenhandlung bestreitet ein geheimnisvoller Barde, der Lieder singt über Nihals früheste Kindheitstage, ihre Zeit in den Unerforschten Landen sowie über die Ereignisse nach ihrer Wiederbelebung. Doch so geheimnisvoll ist der Barde letztlich doch nicht … Die geschickte Rahmenhandlung gibt dem Buch den Anstrich einer Ballade.

Nichts verpasst
Mein Fazit: Fans der Aufgetauchten Welt kommen mit einigen kleineren Abstrichen wieder auf den Geschmack. Der Rest hat nichts verpasst.

Licia Troisi, Die Drachenkämpferin 4: Nihals Vermächtnis
Heyne Verlag, 2015
Autorin der Rezension: Maria Schönberg

Rezension: Eka Kurniawan, Tigermann

Eka Kurniawan, einer der stimmgewaltigsten Erzähler Indonesiens, entführt den Leser in die exotische Welt seines Landes. Genauer gesagt, in einen kleinen, dörflich geprägten Vorort einer Stadt an der südlichen Küste der Insel Java, wo jeder jeden kennt.

Der Inhalt
Eka Kurniawan steigt direkt in die Erzählung ein, die mit einem brutalen Mord beginnt. Täter ist der erst 20jährige Margio, der als von allen geschätzter Treiber bei der Wildschweinjagd arbeitet. Er hat überraschenderweise seinen Nachbarn getötet – durch einen Biss in die Kehle. Als er für diese Tat zur Rede gestellt wird, rechtfertigt er sich mit den Worten: „Nicht ich habe ihn getötet. Es gibt einen Tiger in meinem Körper“.

Eka Kurniawan schildert die Hintergründe der Tat. Das Werk kreist um schwierige Verhältnisse in der Familie ebenso wie um die Beziehungen zwischen den Nachbarn im dörflichen Indonesien und die Unsicherheiten, die mit der ersten Liebe verbunden sind. Auf weniger als 250 Seiten zeichnet der Autor ein dichtes Bild der sozialen Struktur in dieser Gesellschaft und eine präzise psychologische Darstellung des Hauptcharakters. Zugleich bringt er mit dem im südostasiatischen Raum verbreiteten Tigermythos ein magisches Element in sein Werk ein. Dabei zeichnet sich Eka Kurniawan durch einen äußerst eleganten Erzählstil sowie eine meisterhafte psychologische Betrachtung und Deutung der Handlung seines Protagonisten aus.

Mein Fazit
„Tigermann“ ist eine der beeindruckendsten Neuerscheinungen der asiatischen Literatur des Jahres 2015. Eka Kurniawan vermag es meisterhaft, Leser in die Mythologie der Inselwelt Indonesiens zu entführen.

Eka Kurniawan, Tigermann
Aus dem Indonesischen übersetzt von Martina Heinschke
OSTASIEN Verlag, 2015
Online bestellen: http://www.reihe-phoenixfeder.de/bestellformular.html
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Stephan Abarbanell, Morgenland

Wir schreiben das Jahr 1946. Die gesamte Welt liegt nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs in Trümmern. Genau in diese scheinbar postapokalyptische Welt versetzt Stephan Abarbanell den Leser in „Morgenland“. Es ist ein spannender Thriller mit kleinen Schwächen.

Der Inhalt
Der Leser begleitet die Protagonistin Lylia Wasserfall. Sie engagiert sich aktiv im palästinensischen Widerstand gegen die britische Mandatsmacht. Sie würde gern bei Sabotageakten eingesetzt werden, jedoch wird sie stattdessen auf eine sehr viel heiklere Mission geschickt: Sie soll im Nachkriegsdeutschland nach Raphael Lind suchen. Der jüdische Wissenschaftler soll angeblich in einem Konzentrationslager ermordet worden sein, allerdings gibt es Hinweise, dass er noch am Leben ist. Lylia Wasserfall macht sich auf die Reise durch das zerstörte Europa und hat neben dem britischen Geheimdienst zusätzlich einen mysteriösen Verfolger auf den Fersen. Jener will offensichtlich verhindern, dass sie den Wissenschaftler findet.

Ein Schmankerl für Geschichts-Fans?
Der rbb-Kulturchef Stephan Abarbanell begibt sich mit seinem Debütroman auf ein relativ gewagtes Terrain gewagt. Schließlich gibt es kaum belletristische Werke zur unmittelbaren Nachkriegszeit. Auf den ersten Blick meistert er dieses Terrain, das vor allem historisch interessierte Leser begeistert, scheinbar mit Bravour. Ich kann mich als Leser hervorragend in die Hauptfigur hineinversetzen, die Handlung verspricht pure Spannung. Allerdings scheint der Autor keinen rechten roten Faden für seine Geschichte gefunden zu haben. Denn je weiter der Roman fortschreitet, umso flacher wird die Geschichte. Abarbanell streift zahlreiche Themen und lässt sie wieder fallen. Und auch vielen handelnden Personen fehlt die rechte Tiefe. Selbst die Widerstandskämpferin Lylia Wasserfall lässt eine persönliche Entwicklung vermissen, was angesichts eines vielversprechenden Anfangs schade ist.

Mein Fazit
Der Autor spickt „Morgenland“ mit zahlreichen guten Ideen, setzt diese aber nur relativ dürftig um.  Dennoch ist das Buch eine empfehlenswerte Lektüre für historische interessierte Leser, die hier Anregungen für eigene Spurensuche erhalten.

Stephan Abarbanell, Morgenland
Karl Blessing Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Morgenland-9783896675170
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Marceline Loridan-Ivens, Und du bist nicht zurückgekommen

Mit „Und du bist nicht zurückgekommen“ hat Marceline Loridan-Ivens eine herzzerreißende Liebeserklärung einer Tochter an ihren Vater verfasst. Zusammen mit ihrem Vater wurde die Autorin 1944, im Alter mit 15 Jahren, von den Nationalsozialisten deportiert. Sie kam nach Birkenau, der Vater nach Auschwitz. Die Mutter entkam mit zwei Geschwistern dem Zugriff der Nazis nur knapp. Siebzig Jahre später schreibt die überlebende Tochter einen Brief an den Vater, den er nie lesen wird.

Quelle: www. suhrkamp.de

Quelle: www. suhrkamp.de

Der Inhalt
Die Autorin versucht etwas schier Unmögliches: Sie will dem unaussprechlichen Leid, das die nationalsozialistische Herrschaft vor allem über viele jüdische Familien brachte, eine Stimme geben. Schon kurz nach der gemeinsamen Ankunft in Auschwitz wird sie von ihrem Vater getrennt und landet im drei Kilometer entfernten Birkenau. Trotz der strengen Kontrollen im Konzentrationslager gelingt es ihrem Vater, Marceline noch eine Nachricht zukommen zu lassen, deren Inhalt sie jedoch wenig später vergessen hat.

Für die heutige Generation sind die Zustände und Vorgänge in den Konzentrationslagern unvorstellbar. Dazu gehört auch eine Begegnung der Autorin mit Josef Mengele, der in Auschwitz als Lagerarzt tätig war und unmenschliche, grausame medizinische Experimente an den Häftlingen vornahm. Obwohl die Nachricht des Vaters in Vergessenheit geriet, bleiben die Erinnerungen an die Zeit der Nazi-Herrschaft für immer im Gedächtnis und auf der Haut der Autorin eingebrannt. Sie wurde mit der Zahl 78750 gebrandmarkt, die sie das ganze Leben über als schreckliche Gefährtin begleiten sollte, wie sie selbst sagt.

Die Autorin bedient sich in ihrem Werk einfacher und klarer Sätze. Genau das erzeugt Kälte und Schrecken. Einer der Schlüsselsätze dürfte das Bekenntnis sein „Ich liebte dich so sehr, dass ich glücklich war, mit dir deportiert zu werden“, das auf den heutigen Leser einfach nur erschütternd wirkt.

Mein Fazit
Der Autorin gelingt es auf nur knapp mehr als 100 Seiten eine komplexe Geschichte zu erzählen, die das Grauen des Dritten Reiches lebendig macht. Beeindruckend, bedrückend und ein wichtiges Dokument der jüngeren Geschichte.

Marceline Loridan-Ivens, Und du bist nicht zurückgekommen
In der Übersetzung von Eva Moldenhauer
Insel Verlag, 2015
Gespräch mit der Autorin: https://www.youtube.com/watch?v=zLLyeREWrrk
Gespräch mit der Autorin (französische Sprache): https://www.youtube.com/watch?v=jLa7Erf5eHI
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Und-du-bist-nicht-zurueckgekommen-9783458176602
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: James D. Oswald, Die Dreamwalker-Reihe, Band 1 bis 3

Drachen sind grausame Monstrositäten, die ohne Rücksicht auf ihre Umwelt alles niederbrennen und Tod und Verderben säen. Sie sind gefürchtet und gehasst, und einem Ritter gebührt große Ehre, wenn er eines der Monster erschlägt. Gesetzt den Fall, Drachen wären doch vernunftbegabte und rücksichtsvolle Wesen: Würden sie dann immer noch gehasst und verfolgt? 

Die letzten Drachen der Welt leben zurückgezogen in einem Wald. Ein Zauber schützt ihre Siedlung, doch als eine junge ehrgeizige Drachendame ein mächtiges Zauberbuch findet, bringt sie alle in Gefahr. Gleichzeitig wird der Junge Errol gegen seinen Willen zu einem Kriegerpriester ausgebildet, dessen Bestimmung es sein wird, Drachen zu töten. Dabei ist es doch sein Wunsch, so viel wie möglich über Drachen zu lernen. Zu allem Unglück auch noch der alte König, welcher bis jetzt seine schützende Hand über die Drachen gehalten hatte, und seine Tochter Beulah lechzt nach Blut. Sie unterstützt den kriegerischen Orden des Hohen Fryd unter der Leitung des Inquisitors Melyn und nutzt ihn, um sowohl auf die Drachen Jagd zu machen als auch die angrenzenden Königreiche anzugreifen und zu erobern. Der Drache Benfro und Errol, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch nur gemeinsam ihren Feinden entkommen können, müssen lernen, Freund von Feind zu unterscheiden und die Zwistigkeiten ihrer Völker zu überwinden.

Bücher, die Drachen thematisieren, stellen diese meist in der üblichen Symbolik als Feinde dar, in der sie auch in der klassischen Mythologie zu finden sind. Daher präsentiert sich die Reihe James D. Oswalds als angenehme Abwechslung und wirft gleichzeitig einige interessante Fragen auf.

Seine Drachen sind weder stumpfsinnige Tiere noch verschlagene und grausame Jäger. Vielmehr sind sie kluge Wesen, die nichts mehr wollen, als in Frieden zu leben. Die Menschen halten jedoch die Erinnerungen an die blutigen Konflikte der Vergangenheit in ihren Sagen und Legenden wach. Erst königliche Edikte der jüngeren Vergangenheit haben eine Koexistenz von Mensch und Drache ermöglicht. Inquisitor Melyn ist jedoch an einem friedlichen Miteinander nicht interessiert und verteufelt die Drachen zu Bestien, die es auszurotten gibt. Wenn es keinen Feind gibt, wird eben einer geschaffen. Klingt vertraut, oder?

Leider nimmt der Prolog des ersten Bandes die besondere Herkunft Errols vorweg, sodass der Leser in diesem Moment schon mehr weiß als der Protagonist. Auch wenn sich damit von Anfang an ein Konfliktherd abzeichnet, nimmt es doch die Spannung, da man nicht mehr mit Errol gemeinsam herausfinden kann, wer er eigentlich ist.

Dreamwalker - Der Zauber des Drachenvolkes von James OswaldDer erste Band der Reihe, „Der Zauber des Drachenvolkes“, ist ein Aufgalopp. Die Handlung braucht lange, um in Fahrt zu kommen und tritt teilweise auf der Stelle. Dadurch fehlt die Spannung, da lange nicht ersichtlich wird, wo der Konfliktherd liegt. Der letzte Teil ist dafür umso rasanter und gipfelt in einem sehr gelungen Cliffhanger hin zum Folgeband.

Stattdessen verwendet der Autor viel Zeit, um seine Welt aufzubauen und dem Leser nahezubringen. Lobend sind die Texte zu Beginn eines jeden Kapitels hervorzuheben, die Auszüge aus der Literatur seiner Welt darstellen und dieser dadurch mehr Substanz verleihen.

J.D. Oswalds Sprache ist gelungen. Er schreibt sehr bildhaft, sodass Umgebung und Charaktere deutlich vor die Augen des Lesers treten. Insbesondere das Aussehen seiner Drachen beschreibt der nicht, sondern macht deutlich, was sie tun. Dies ist definitiv eine angenehme Abwechslung zu einer stupiden Aneinanderreihung von Eigenschaften.

Dreamwalker - Das Geheimnis des Magierordens von James OswaldBand 2, „Das Geheimnis des Magierordens“, knüpft nahtlos an den ersten Teil der Reihe an. Wurde Benfro am Ende des ersten Bandes gerade mit Inquisitor Melyn konfrontiert, so ist er hier sogleich auf der Flucht. Der Leser ist von Anfang an mitten im Geschehen und hofft natürlich, dass es dem jungen Drachen gelingt, seinen Häschern zu entkommen.

Leider ist es dem Autor dieses Mal nicht so gut gelungen, den Leser bei der Stange zu halten. Prinzipiell ist es immer gut, wenn etwas Sonderbares passiert und das Geschehen nicht gleich auf den nächsten Seiten aufgelöst wird. In diesem Fall häufen sich jedoch rätselhafte Dinge, von denen die Protagonisten zudem auch jedes Mal aus dem Schlamassel gerettet werden.

Mehrmals droht Errol unmittelbar der Tod und doch entkommt er auf eine Weise, die er selbst nicht erklären kann. Leider geht dadurch einiges an Spannung verloren, wenn Errol wieder und wieder dem Tod von der Schippe springt. Benfro kann plötzlich auf wundersame Weise fliegen, und es wird leider viel zu spät erklärt, wie er diese Fähigkeit bekam. Bis dahin bleibt nur Verwunderung über die scheinbare Unlogik, was den Lesegenuss trübt.

Dreamwalker - Die Gefangene des Drachenturms von James OswaldKlare Kritik am dritten Band, „Die Gefangene des Drachenturms“: Das Lektorat hat hier schlicht geschlampt. Da werden immer wieder Kommata oder Anführungszeichen vergessen, ganze Wortgruppen wiederholen sich direkt hintereinander und Namen werden vertauscht. Bereits in den ersten Bänden fielen gelegentlich kleine Fehler auf, hier jedoch häufen sie sich so sehr, dass sie stören.

Inhaltlich ist hier jedoch nichts auszusetzen. Da jetzt noch eine zweite Welt ins Spiel kommt, wird der Weltenbau komplexer als in den Vorgängerteilen. Plötzlich sind die Drachen der anderen Welt  wieder eine Bedrohung sowohl für die Menschen als auch für die letzten ihrer Artgenossen. Man fragt sich als Leser, woher die Drachen plötzlich auftauchen. Das Buch wirft allerhand Fragen auf für die kommenden Bände, die noch nicht auf Deutsch vorliegen – und das macht viel Lust.

Auch charakterlich tut sich einiges. Nachdem Beulah am Anfang der Reihe vor allem als skrupellose Königin gezeichnet wurde, die in erster Linie an ihrer eigenen Macht und weniger am Wohlergehen anderer interessiert ist, wandelt sich diese Haltung zunehmend mit ihrer Liebe zu Clun. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, Beulah jedoch riskiert eine Menge, als sie ihn in den Adelsstand erhebt und ihn heiratet. Sie zeigt ihm gegenüber sogar romantische Attitüden, was ihr mehr Vielschichtigkeit verleiht und sie als Charakter interessanter macht.

Das Buch endet wie Band 1 mit einem ähnlich gelungenen Cliffhanger, der dazu animiert, sogleich Band 4 zu lesen. Nachdem die ersten beiden Bände durchaus gute, wenn auch nicht die allerbeste Unterhaltungsliteratur waren, weist Band 3 eine deutliche Tendenz nach oben auf. Er lässt die Ernüchterung nach dem zweiten Teil rasch wieder vergessen und darauf hoffen, dass die Reihe sich einem packenden Finale entgegenneigt.

Die ersten drei Bände liegen bereits auf Deutsch vor. Die Bände 4 und 5 sollen bei guten Verkaufszahlen folgen.

James D. Oswald, Der Zauber des Drachenvolkes, Orig. Dreamwalker, Dreamwalker 1: ISBN 978-3-570-40306-8, cbj, 2015
James D. Oswald, Das Geheimnis des Magierordens, Orig. The Rose Cord, Dreamwalker 2: ISBN 978-3-570-40307-5, cbj, 2016
James D. Oswald, Die Gefangene des Drachenturms, Orig. The Golden Cage, Dreamwalker 3: ISBN 978-3-570-40308-2, cbj, 2016
Alle Bände in der Übersetzung von Gabriele Haefs
Rechte aller Cover by www.randomhouse.de
Autorin der Rezension: Maria Schönberg